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Buchtipps
Wohnpsychologie

„Poetik des Raumes" 
Gaston Bachelard

Seit nunmehr fast 50 Jahren begleitet mich Gaston Bachelards "Poetik des Raumes", das 1957 geschrieben und bereits 1960 ins Deutsche übersetzt wurde. Fast unscheinbar leicht liegt es wie ein bunter Vogel in der Hand, liest sich immer wieder neu, ist spannend: es erdet, berechnet Längen- und Breitengrade und beschreibt Bilder, die (fast) jeder Mensch kennt:
den Schlupfwinkel, das Haus, die Höhle und auch die "Häuser der Dinge", z.B. Muscheln, Nester, Schubladen und Truhen, danach den Gegensatz von Drinnen und Draußen und schließlich das Bild der Rundheit.
Es lehrt, dass wir immer anders sind, je nachdem, wo wir gehen und stehen, sitzen und liegen, uns immer wieder neu beziehen auf die Welt um uns herum, in uns - und dass es nicht unwesentlich ist, ob wir nun durch eine Tür oder ein Tor, über einen Steg oder einen Weg gehen.
Bachelard (1884 - 1962), Sohn eines Tabakhändlers, der sich zunächst in Paris den Lebensunterhalt als Postbote verdiente, um dann über die Mathematik, die Physik, die Chemie und den Krieg schließlich Philosoph zu werden, begann seine Universitätskarriere erst mit 46 Jahren, schrieb 24 Bücher und erhielt kurz vor seinem Tod für sein Lebenswerk den Grand Prix National des Lettres.
Er träumte Bilder, die in Menschen sind, rieb sie mit Tinte ins Papier und schrieb sich damit in die Architekturpsychologie. Bachelard erklärte Orte des Erlebens, die konstruiert, erfunden werden wollen - von Architekten, Raumgestaltern und Innenarchitekten - für Menschen, die in diesen Orten wohnen, z.B. in einem Haus:
Das Haus schließt Zufälligkeiten aus, es hält den Menschen aufrecht, ist Körper und Seele, die erste Welt des menschlichen Seins, seine Wiege,  die sich dem Bewusstsein entzieht, ein Ort, der Bezug nimmt auf die Natur, den Kosmos.
In "Poetik des Raumes" erinnert Bachelard u.a. an Victor Hugos "Notre-Dame de Paris":
"Mit einem kurzen Satz verbindet Victor Hugo die Bilder und die Wesen in der Funktion des Wohnens. Für Quasimodo ... ist die Kathedrale nacheinander Ei, Nest, Haus, Vaterland, All gewesen. Man könnte fast sagen, er habe ihre Form angenommen wie eine Schnecke die Form ihres Muschelhauses annimmt. Das war seine Wohnung, sein Loch, seine Hülle ... er hing daran wie eine Schildkröte an ihrem Schild. Die zerklüftete Kathedrale war sein Panzer".
Gemeinsam mit Quasimodo kann das Nest neu entdeckt werden, es versetzt in die Kindheit zurück, in die Kindheit ganz allgemein. "In Kindheiten, die wir hätten haben sollen". Denn: "Selten sind diejenigen unter uns, denen das Leben das volle Maß seines kosmischen Bezugs gegeben hat." 

Poetik des Raumes - Gaston Bachelard
Fischer Taschenbuch, ISBN-13:97835996273966


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"Mensch und Raum"

Otto Friedrich

Bollnow

Was ist eigentlich Heimat oder ein Haus, eine Wohnung, eine Tür, ein Fenster, ein Bett? Und was ist der Raum, der diese Dinge um- und einschließt - in dem wir leben, uns bewegen, mehr oder weniger bewusst ein- und ausatmen?
„Mensch und Raum“, das von Otto Friedrich Bollnow (1903 – 1991) bereits 1963 geschriebene Buch findet von all seinen Werken (38 Bücher, nahezu 300 Aufsätze, 193 Besprechungen und 13 Editionen) nach wie vor die größte Beachtung und höchsten Auflagen.
Bollnow, der 1921 in Berlin nach nur einem Semester Architektur ins Studium der Physik und Mathematik umschwenkte, lehrte nach seiner Promotion über die „Gittertheorie der Kristalle“ mehrere Jahre an der Odenwaldschule von Paul Geheeb und wandte sich schließlich durch die starken Eindrücke dieser Reformschule und die (lebenslange) Freundschaft zu Martin Wagenschein ganz der Philosophie und Pädagogik zu.
Nach wie vor scharrt Bollnow auch heute noch einen großen Leserkreis um sich, denn die Lektüre seiner Schriften lohnt sich allemal – sie sind auch für Nichtphilosophen gut lesbar und wurden in ihrer lebenspraktisch relevanten Thematik durch den Fortgang der Zeit bisher nicht widerlegt.
Unsere Vorstellung vom Raum, so Bollnow, ist nicht die, wie wir sie während unserer Schulzeit im Mathematik- oder Physikunterricht kennen gelernt haben.

„Dieser Raum ist völlig ungegliedert und kann insofern als eine Art von Gefäß betrachtet werden, in dem sich die Dinge befinden“.

Der konkrete, der „erlebte Raum“ des Menschen ist aber ganz anders: er hat einen „natürlichen Nullpunkt“, das ist der Ort, an dem wir zuhause sind und um den „baut sich dann die Welt in einer ganz bestimmten Weise nach Nähe und Ferne auf“. Und an diesem „natürlichen Nullpunkt“ gibt es (meistens) ein Haus, (vielleicht) eine Wohnung und (heute eventuell - das war und ist nicht selbstverständlich) - ein Bett:
„Ich glaube nun, dass die Mitte mit dem Bett bezeichnet ist. Das Bett ist der Ort, von dem sich der Mensch am Morgen zu seinem Tagewerk erhebt und an den er abends nach getaner Arbeit wieder zurückkehrt.“ Und ebenso ist es mit dem Menschenleben (normale Lebensumstände vorausgesetzt): „Es beginnt im Bett und es endet wieder im Bett. Im Bett also schließt sich der Kreis ...“ Bezeichnend für das Verlangen des Menschen, im Bett einen unerschütterlichen festen Halt innerhalb der Welt zu gewinnen, ist ein in früheren Zeiten weit verbreiteter Brauch fest eingebauter, also unverrückbarer Betten. Schon Odysseus soll – wenn Homer denn wahrheitsgetreu berichtete – einen fest im Boden verwurzelten Ölbaumstamm erspäht und aus ihm – ohne ihn zu entwurzeln! - einen Bettpfosten geschnitzt haben, um den herum dann das weitere Schlafgemach gebaut wurde. Hier ist der Bettpfosten nach Bollnow die „feste Achse der Welt“.
Die „feste Achse der Welt“ - das ist für Bollnow auch Heimat, egal wie sie entstand und wie weit sie geht, immer abhängig davon, wer sie erlebte und erschuf.

Ist sie Dorf oder Stadt, Kreis oder Provinz, Kindheit oder Sprache, Religion oder Mutterland, Begegnung oder Verstehen? Heimat kann sich für zwei unterschiedliche Menschen, die zur gleichen Zeit am gleichen Ort mit gleichen Eltern aufwuchsen mit völlig unterschiedlichen Inhalten, Erfahrungen, Sehnsüchten und Bedeutungen füllen. 
Für Bollnow ist Heimat die Verbundenheit des einzelnen Menschen zur Kindheit, egal ob sie nun in einem Dorf mit fester Struktur oder in einem Kahn auf fließenden Wassern verbracht wurde: sie ist die Heiterkeit, die frohe Tat, der vertraute Sprachrhythmus, die Begegnung mit anderen, das Vertrauen auf das Kommende - aber immer begrenzt vom eigenen Horizont, der die Heimat von der Fremde scheidet.


Otto Friedrich Bollnow | Mensch und Raum
Verlag: Kohlhammer
ISBN-13: 9783170184718, ISBN-10: 3170184717

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